BEDENKLICHE PHÄNOTYPMERKMALE BEIM ROTTWEILER von Prof. Dr. Peter Friedrich Präsident des Verbandes für das Deutsche Hundewesens (VDH) Mitglied der Standardkommission der Fédération Cynlogique Internationale (FCI)  EREDETI>>>A LINKEN>>> Friedrich_Peter_2018_Bedenkliche_Phaenotypmerkmale_beim_Rottweiler

Es herrscht Unruhe im Kreis der Rottweilerfreunde. Weltweit kommt es mehr und mehr zu Meinungsverschiedenheiten. Die Präferenzen bei der Wahl von Deckrüden und Zuchthündinnen und bei der Reihung im Rahmen von Hundeausstellungen driften auseinander mit einer Tendenz zur Bildung zweier Lager. Hauptursache dafür ist, dass neben dem jahrzehntelang existierenden Grundtypus des Rottweilers ein weiterer entstanden ist, der von einer Reihe von Personen wertgeschätzt wird und doch bei näherem Hinsehen als problematisch bezeichnet werden muss. Die Rede ist von Tieren mit auffälligen Merkmalen insbesondere im Bereich des Kopfes, aber auch im Körperbau, die mit Übertreibungen bei der Interpretation des Standards zusammenhängen. Den betreffenden Tieren mangelt es nicht nur am klassischen Rassetyp, nein, sie sind auch ernsthaften und zugleich vermeidbaren Gesundheitsrisiken ausgesetzt. In den nächsten drei Abschnitten wird der soeben angesprochene Themenkomplex beschrieben, und es werden praktikable Gegenmaßnahmen skizziert. Vorangestellt sind diesen beiden Arbeitsschritten Überlegungen dazu, wann eine Rassepopulation als intakt bezeichnet werden darf und wann sie als bedroht gelten muss, eine Unterscheidung die für den Rottweiler schneller relevant werden kann, als all seinen Anhängern lieb ist.

ROTTWEILER IN AKTION

Sind Rottweiler in ihrer Gesamtheit als Rasse in einem guten Zustand oder sollten wir die Alarmglocken läuten? Welche Kriterien können wir anwenden, um eine derartige Frage auch nur annähernd beantworten zu können? Sollten wir gezielt Veränderungen bei der Anwendung von Zuchtstrategien vornehmen, damit wir die uns überlassene Zuchthoheit auch ganz sicher verantwortlich ausüben? Zumindest fragmentarisch und mit dem Fokus auf einem einzelnen Schwerpunkt seien in diesem Text Antworten zu den drei aufgeführten Fragen geben.

Generell gesprochen, ist die Rottweilerwelt in Ordnung, wenn ….

… die überwältigende Mehrheit ihrer Vertreter dem gewünschten Idealtypus recht nahekommt und zu den von ihr erwarteten Aktivitäten in der Lage ist

… Gesundheitsstörungen nur in normalem Umfang auftreten

… ein hohes Maß an Fitness im biologischen Sinn (Fruchtbarkeit, Verletzungsunempfindlichkeit, Lebenserwartung und so weiter) zu verzeichnen ist

… die genetische Diversität innerhalb der Population relativ hoch ist

… den betreffenden Tiere zuträgliche Lebensbedingungen geboten werden

Ein echter Rottweiler repräsentiert eine anspruchsvolle Grundidee. Sein

Körperbau, seine Bewegungsmöglichkeiten und seine Verhaltensneigungen prädestinieren ihn zu einem erfüllten Dasein in einer Familie, zu erfreulichen Arbeitsergebnissen bei Gebrauchshund- und Fährtenhundprüfungen und zu erfolgreichen Einsätzen im Rettungshund- und Diensthundwesen. Zu den zahlreichen notwendigen Voraussetzungen für ein solch positives Wirken gehören Eigenschaften wie Einsatzfreude, kombiniert mit Gelassenheit und Beruhigungsvermögen, Lernfähigkeit, soziale Kompetenz, Kraft, körperliche Ausdauer, mentales Durchhaltevermögen und eine außerordentliche Wendigkeit in jungen Jahren und auch in fortgeschrittenem Lebensalter. Und nichts an ihm darf so beschaffen sein,

Der Autor mit einem Rottweiler, wie er sein soll: agil, gelenkig und zugleich gelassen im Verhalten dass es all dem entgegensteht. Und genau um die letztgenannte Problematik geht es in den nächsten beiden Abschnitten. Das Sozialverhalten, das Aktionsverhalten und die Vielseitigkeit des Rottweilers erfordern eine Reihe anatomischer Merkmale und verbieten andere. Zunächst mag man dabei an den Bereich der Gebäudekonstruktion denken, aber die Anatomie des Kopfes hat es, wie gezeigt werden wird, genauso in sich.

Rüde mit übertriebenen, jedoch nicht gänzlich extremen Phänotypmerkmalen im Bereich des Kopfes

 

KÖRPERBAU UND KOPFPROPORTIONEN

Hunde mit auffälliger Größe, eminent langen Haaren oder sehr kurzen

Beinen werden nicht selten wegen ihrer Eigentümlichkeiten argwöhnisch betrachtet. Doch die sie betreffenden Diskurse sind wahrhaft zurückhaltend im Vergleich zu dem, was im Zusammenhang mit brachycephalen Rassen geschieht. Die Zugehörigen zu brachycephalen Hunderassen haben durchgängig kurze, breite, rundlich wirkende Köpfe und im Verhältnis zur Oberkopflänge kurze Fänge. Zuverlässige wissenschaftliche Messungen hierzu werden ausschließlich am präparierten Schädel toter Tiere oder unter Zuhilfenahme röntgendiagnostischer Verfahren durchgeführt. Die Paradebeispiele beim Thema Brachycephalie sind der Mops und der englische Bulldog. Beiden zählen gewiss zu den Rassen, denen die größte Skepsis entgegenschlägt und deren Züchter sich in Bedrängnis befinden. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe. Es gibt nämlich brachycephale Individuen, deren Kopfform mit schwerwiegenden Problemen bei der Atmung und verformungsbedingt auch im Bereich des Nervensystems verbunden ist und Leiden erzeugt. Etliche Autoren sprechen deshalb von einem Brachycephalie-Syndrom, oft genauer bezeichnet als Brachycephalic Obstructive Airway Syndrome (BOAS). Dessen Symptome treten logischerweise bei sommerlichen Temperaturen oder nach Anstrengung umso heftiger in Erscheinung. Selbst im Alltagsleben ist es nicht immer ein Zuckerschlecken, einen brachycephalen Hund zu besitzen. Beispielsweise transportieren einige Fluggesellschaften solche Tiere in der Befürchtung nicht, sie könnten unter der Belastung der Reise eher als andere zu Schaden oder gar zu Tode kommen. Um es noch einmal klarzustellen, nicht alle Individuen einer noch so brachycephalen Rasse sind von den genannten Einschränkungen betroffen, sondern nur eine gewisse Anzahl oder sogar so gut wie gar keine wie zum Beispiel beim Boxer. Der Themenkomplex als Ganzes bleibt dessen ungeachtet kompliziert und nicht nur politisch brisant.

Der Rottweiler in seiner klassischen, über viele Jahrzehnte erprobten

Erscheinung ist von der Brachycephalie so weit entfernt wie eine Kuh vom Klavierspielen. Im Spektrum der molossoiden Hundetypen gehört er mit seinem Elan zur betont moderaten und schwungvollen Fraktion. Aber was lange uneingeschränkt galt, steht zur Zeit zunehmend in Frage.

Es gibt eine Gruppe von Rottweilern mit FCI-anerkannten Ahnentafeln, die einem anderen, einem neuen, ja, einem fragwürdigen Typus zuzurechnen sind. Eben dieser sei in vier Arbeitsschritten diskutiert:

Hündin mit übertriebenen, jedoch nicht gänzlich extremen Phänotypmerkmalen im Bereich des Kopfes

 

Schritt 1: Beschreibung einzelner unerwünschter Phänotypmerkmaleim Bereich des Kopfes – zunächst getrennt voneinander

Vermehrt treten nunmehr Rüden und Hündinnen auf, die eines oder mehrere der folgenden Charakteristika auf weisen:

  • ein in der Gesamterscheinung enorm breiter und zugleich verhältnis-

mäßig kurzer Kopf; im Ausnahmefall wirkt der Kopf sogar geradezu

  • breiter als lang.
  • ein übertrieben voluminöser Oberkopf; natürlich ebenfalls sehr breit.
  • ein von der Seite besehen geradezu ballonförmig gerundeter Oberkopf.
  • ein extrem starker Stirnabsatz.
  • eine sehr ausgeprägte Stirnfurche.
  • ein im Verhältnis zum Oberschädel zu kurzer, oft nicht mal ausrei-
  • chend breiter Fang.
  • rund geformte Augen.
  • zu geringe Füllung der Partie direkt unter den Augen.

zu knapp ausgeformte Jochbögen. flache Wangen bei sehr plastischer Kaumuskulatur.

divergierende obere Begrenzungslinien von Schädel und Fang in dem Sinne, dass der Nasenrücken zur Schnauzenspitze hin ansteigt und das Schädeldach normal geformt ist.

lose Haut an der Kehle; übermäßig viele Falten auf dem Schädeldach, übermäßig viel Falten an den Wangen; schwere Lefzen; offene Lefzenwinkel; insgesamt schwaches Bindegewebe. nicht in Linienform gereihte Zähne. unnatürliche, relativ laute Atemgeräusche.

Rüde mit gewissen Unvollkommenheiten, jedoch ohne übertriebene Phänotypmerkmale im Bereich des Kopfes

Schritt 2: Erläuterung des Zusammenwirkens von missliebigen Phänotypmerkmalen im Bereich des Kopfes

Es gäbe kaum Handlungsbedarf, wenn die unter Schritt 1 aufgeführten

Formwertfehler vereinzelt und unabhängig voneinander aufträten. Es ist jedoch beunruhigende Realität, dass diese Mängel in der Mehrzahl der Fälle kombiniert miteinander in Erscheinung treten. Und nicht nur die

Gestalttheoretiker haben schon zu Anfang des 20ten Jahrhunderts hervorgehoben und begründet, was auch im 21. Jahrhundert noch gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Es gibt eine unverwechselbare, im Ganzen dysmorphe Gesamterscheinung, die zu verzeichnen ist, wenn eine nicht zu knapp bemessene Reihe der oben skizzierten Merkmale in einem Tier vereint sind und eine charakteristische Anmutung beim Beobachter auslösen. Vor uns steht dann so etwas wie ein Bully-Rottweiler, ein Tier mit einem ganz anderen Ausdruck als der reguläre Rotti der Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart. Mit dieser Aussage sei nicht geleugnet, dass es auch schon vor 50 Jahren einzelne solcher übermäßig molosserhaften Vierbeiner gegeben hat. Sie sind jedoch in der Masse der im besten Sinne moderaten Exemplare regelrecht untergegangen.

Rüde mit gewissen Unvollkommenheiten, jedoch ohne übertriebene Phänotypmerkmale im Bereich des Kopfes

Schritt 3: Risikobewertung bezüglich des bedenklichen Merkmalskomplexes im Bereich des Kopfes

Das, was unter Schritt 2 als Bully-Rottweiler bezeichnet worden ist, ist nicht ausschließlich ein ästhetisches Problem. Nein, es ist eine Risikodisposition. Es drohen hochgradige Funktionseinbußen und Einschränkungen der Fitness. Berichte von schwer atmenden und unvermittelt mit Bewusstseinseintrübungen zur Seite hin umfallenden Hunden sind Ernst zu nehmende Alarmsignale. Wer die roten Flaggen in Richtung Unwohlsein, Leiden und vorzeitigem Altern übersieht, macht sich schuldig. Die Perspektive der Hunde und ihr Befinden hat höchste Priorität.

Die Perspektive der Reputation der Hundezüchter hat es allerdings ebenfalls in sich. Stiege der prozentuale Anteil der Vierbeiner mit “BullyRottweiler-Syndrom” in der Gesamtpopulation weiterhin an, so könnte es geschehen, dass Wissenschaft und Politik den Rottweiler als brachycephale Rasse klassifizierten. Und betroffenen Rassehunde-Zuchtvereine und Kennelklubs könnten dem nicht einmal vernünftige Argumente entgegenhalten. Strikte Auflagen oder gar Zuchtverbote wären beileibe nicht auszuschließen. Das Image des Rottweilers ist ohnehin nicht überall gleich gut, würde er in die Brachycephaliedebatte hineingezogen, könnte seine Existenz langfristig gefährdet sein. Wer sich für moderate, muntere Rottweiler einsetzt, begünstigt die Zukunftschancen der Rasse.

Schritt 4: Verknüpfung der Erkenntnisse bezüglich des Kopfes mit Merkmalen des Bewegungsapparates

Bis hierher sind meistenteils Rottweilerköpfe analysiert worden. Selbst der gewagte Terminus “Bully-Rottweiler” wurde so abgeleitet. Mit dem beschriebenen Kopftypus können jedoch weitere ernsthafte Fehler einhergehen; sie müssen es aber nicht. Zu nennen sind eine übermäßig molossoide, schwere, plumpe Gesamterscheinung, schleppende Bewegungsabläufe, geringe Wendigkeit, übertrieben starke Knochen und obendrein lose Haut am ganzen Körper. Wird ein solches Individuum in Freizeit und Sport ausgiebig bewegt und auch hin und wieder zu Sprüngen animiert, dann setzt ein stärkerer Verschleiß ein als bei einem normalen Rottweiler. Weder Hund noch Halter sind damit gut bedient, von der Lebenserwartung des betreffenden Schützlings gar nicht zu sprechen. Eine Umstellung des Rottweilers von einem aktiven Freizeitpartner hin zu einem antriebsarmen Zwingerbewohner läuft dem Tierschutzgedanken diametral zuwider. Es ist also eine Frage der Verantwortung jedes Klubs und jedes Einzelnen, einer Fehlentwicklung hin zu einer weiten Verbreitung des “Bully-Rottweilers”, zumindest in seinen rigorosen Ausprägungsformen, mit Besonnenheit entgegenzuwirken. Ein radikales Vorgehen verspricht zwar auf den ersten Blick rasche Abhilfe, stellte aber einen Kunstfehler dar. Wieso das so ist, klärt der folgende, letzte Abschnitt.

HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN

Was ist zu tun? Aus dem großen Repertoire an bereits realisierten oder künftig machbaren Optionen seien an dieser Stelle nur die drei bedeutendsten Handlungsfelder herausgehoben. Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Rottweiler Klubs (ADRK) hat eine Notwendigkeit dafür gesehen, einige Formulierungen im Rassestandard zu ändern, damit der Rottweiler bleibt, wie er ursprünglich gedacht ist. Es geht also nicht um eine Veränderung

von Idealvorstellungen, sondern um Klarstellungen, welche den seit langem bestehende Idealvorstellungen auf prägnante Art und Weise mehr Nachdruck verleiht. Unter der Mitwirkung des VDH und der FCI haben die besagten Standardänderungen am 24. Juli 2018 ihre offizielle Anerkennung zugesprochen bekommen. Auch die Internationale Föderation der Rottweilerfreunde (IFR) engagiert sich zu Gunsten ihrer Umsetzung. Die meisten der Standardänderungen haben mit der Vermeidung jeglicher Art von Übertypisierung zu tun. Der Vollständigkeit halber werden hier alle Neuheiten erwähnt.tun.

Hündin mit gewisssen Unvollkommenheiten, jedoch ohne übertriebene Phänotypmerkmale im Bereich des Kopfes

Änderung 1 betreffend Kurzer geschichtlicher Abriss“:

Die Rottweilerzucht erstrebt einen kraftstrotzenden Hund, schwarz mit rotbraunen, klar abgegrenzten Abzeichen, der bei wuchtiger Gesamterscheinung den Adel nicht vermissen lässt und sich als Begleit-, Dienst-, Rettungs- und Gebrauchshund in besonderem Maße eignet.“

Eingefügt ist die Arbeit als Rettungshund, der Rottweiler seit Angedenken nachkommen, die aber erstaunlicherweise zuvor nicht ausdrücklich erwähnt worden ist.

Änderung 2 betreffend Verhalten / Charakter (Wesen)“:

„Er reagiert mit hoher Aufmerksamkeit und zugleich gelassen gegenüber seiner Umwelt.“

Es handelt sich um eine einfache Klarstellung und unterstreicht ausgeglichene Verhaltensneigungen bei vorhandener Aufmerksamkeit.

Änderung 3 betreffend „Schädel“:

„Mittellang, zwischen den Ohren relativ breit, in der Stirnlinie, seitlich gesehen, mäßig gewölbt. Hinterhauptstachel gut entwickelt, ohne stark hervorzutreten.“

Es handelt sich um eine Präzisierung, die vor dem Missverständnis bewahrt, wonach ein Rottweilerschädel, der extrem breit zwischen den Ohren ist, korrekt sei.

Änderung 4 betreffend „Stopp„ (Rechtschreibung des letzten Wortes aus dem Standard übernommen):

„Stirnabsatz relativ ausgeprägt. Stirnfurche schwach ausgebildet.“

Übertriebene Stirnabsätze sind unerwünscht. Tiefe Stirnfurchen entstellen den Hund und sind überdies mit Gesundheitsrisiken verbunden.

Änderung 5 betreffend „Fang“:

„Das Verhältnis von Fanglänge zu Oberkopflänge beträgt etwa 1 zu 1,5.“

Hier wird festgeschrieben, was seitens des ADRK seit Langem gelehrt wird. Der zitierte Satz wird demjenigen vollends verständlich, der sich die Änderung 8 (siehe weiter hinten), die zur Aufzählung der Fehler gehört, gleichzeitig vor Augen hält.

Änderung 6 betreffend „Rute“:

„Naturbelassen, kräftig, waagrecht in Verlängerung der Rückenlinie; bei Aufmerksamkeit, hoher Erregung oder in der Bewegung auch leicht gebogen und nach oben stehend; im Ruhezustand auch hängend. Am Lauf angelegt, reicht die Rute etwa bis zur Ferse oder ist ein wenig länger als bis zu dieser.“

Etwas treffendere Beschreibung, die nicht überinterpretiert werden sollte.

Änderung 7 betreffend „Fehler / Kopf“:

„Jagdhundkopf; schmaler, leichter, zu kurzer, langer, plumper, überÄnderung 8 betreffend „Fehler / Fang“:

„Langer, spitzer oder zu kurzer Fang (jeder Fang, dessen Länge weniger als 40 Prozent der Kopflänge beträgt, ist zu kurz)„

Nun ist explizit festgehalten, was zuvor nicht ganz so klar niedergelegt war. Die prozentuale Angabe ist ein Anhaltspunkt. Mit ihr ist nicht zwingend der Gedanke verbunden, dass alle metrischen Messungen zuverlässig und zweckdienlich sind. Sorgfältig reflektierte visuelle Eindrücke von unvoreingenommenen Fachleuten werden nicht selten noch brauchbarer sein.

Änderung 9 betreffend „Fehler / Gebiss“:

Molaren des Unterkiefers nicht in einer Reihe stehend.“

Nicht in jeder Situation ist es gleich leicht, so etwas zu kontrollieren, aber der Grundgedanke hat über die Jahre nicht an Bedeutung verloren.

Änderung 10 betreffend „Fehler / Ohren“:

„Zu tief oder zu hoch angesetzte, schwere, lange, schlappe, zurückgeklappte sowie abstehende und ungleichmäßig getragene Ohren.“

Eine einfache Klarstellung, die durch die Erfahrungen der letzten Jahre angeregt worden ist.

Änderung 11 betreffend „Fehler / Vordergliedmaßen“:

„Eng gestellte Vorderläufe; nicht gerade stehende oder nicht parallel stehende Vorderläufe.“

Funktionseinschränkungen sollen züchterisch bekämpft werden.

Änderung 12 betreffend „Schwere Fehler / Allgemeines“:

Übermäßig molossoide und schwere Gesamterscheinung.“

Dieser Satz ist selbsterklärend. Der Rottweiler ist stämmig und bewegungsfreudig zugleich. Damit darf er nie ein Extremmolosser und ganz besonders schwer sein.

Änderung 13 betreffend „Schwere Fehler / Haut“:

Kopfhaut stark faltig, starke Falten im Bereich von Stirn, Fang und Wangen, stark ausgeprägte Kehlhaut.“

Die genannten Attribute sind mit einer typvollen Erscheinung gewiss nicht zu vereinbaren.

Änderung 14 betreffend „Schwere Fehler / Gangwerk“: „Träge Bewegungsabläufe im Trab.“

Für einen Gebrauchshund sind mühelose, effiziente Bewegungsabläufe ein Muss. Gravierende Einschränkungen in dieser Domäne müssen einen ausgesprochen negativen Einfluss bei der Bewertung haben.

Änderung 15 betreffend „Disqualifizierende Fehler / Rute“:

angeborene Stummelrute

mäßig molosserhafter Kopf; übermäßig breiter Oberkopf; fehlender, zu geringer oder zu starker Stopp; sehr tiefe Stirnfurche.“ Was im Standard als disqualifiziernder Fehler vermerkt ist, sollte, auch wenn die FCI-Regularien das nicht ganz so vorsehen, nach der AufDie Einordnung dieser Feststellungen dokumentiert, dass entspre- fassung von ADRK und VDH bei einer Austellung die Bewertung chende Merkmale ganz klar unerwünscht und nicht förderungswür- „disqualifiziert„ erhalten und von einer Zuchtverwendung ausgedig sind, jedoch amtierenden Richtern bezüglich ihrer Gewichtung schlossen werden. Die naturbelassene, kräftige Rute unterstützt den im Zusammenwirken mit den anderen Kennzeichen eines Hundes ein Rottweilern bei einer Vielzahl von Bewegungsmustern. Angeborene deutlicher Ermessensspielraum gegeben ist. Stummelruten, früher oft als Mutzschwanz bezeichnet, sind damit  nicht vereinbar und treten äußerst selten auf.

Nachdem die Standardänderungen nun hoffentlich einigermaßen plausibelgemacht worden sind, drängt sich die Frage auf, wie die ihnen zugrunde liegenden Anliegen zu Verbesserungen in der Praxis führenkönnen. Es ist an der Zeit, Beurteilungsschwerpunkte so zu verschieben, dass übertriebene Standardinterpretationen nicht mehr zum ganzgroßen Erfolg führen. Richterschulungen sind dabei unerlässlich, noch wichtiger ist aber Überzeugungsarbeit auf breiter Linie. Werden jeneZüchter, Welpeninteressenten und Richter, deren Herz in der letzten Zeit für kurzköpfige Rottweiler geschlagen hat, bei ihrem bevorzugtenGrundtypus bleiben, wenn sie bezüglich der damit einhergehenden Risiken und Nebenwirkungen erst einmal aufgeklärt worden sind? Niemand kann das sicher vorhersagen. Aufklärungskampagnen sind aber gewiss einen Versuch wert. Zu den mit Unwägbarkeiten verbundenen Vorgehensweisen zählt auch das Messen. Im Geltungsbereich des ADRK wird innerhalb von Zuchttauglichkeitsprüfungen eine Kopfschablone eingesetzt, deren untere Umrisslinie sich zwar nicht genau an den zu vermessenden Kopf anschmiegt, die aber doch wertvolle Information liefern kann. Sie hat einen Nullpunkt, der auf Höhe des vorderen Augenrandes zu positionieren ist. Am vorderen Ende der Nasenkuppe und am hinteren Ende des Hinterhauptstachels können dann die jeweilige Länge von Fang und Oberkopf abgelesen werden. Das klingt gut, funktioniert aber nicht immer reibungslos. Die Nullmarke genau an den vorderen Augenrand zu bringen gelingt schon deshalb nicht immer, weil nicht gänzlich zu Ende diskutiert ist, welcher Teil des Augenwinkels oder der Linse die richtige Stelle ist. Bitte versuchen Sie einmal vorbildliche Fotografien zur Schablonenposition bei leicht ungeduldigen Hunden vorzunehmen. Danach werden Sie wissen, warum der Optimismus in punkto Kopfvermessung beim Rottweiler nicht grenzenlos sein kann. Immerhin haben die Zuchtverantwortlichen in den letzten Wochen und Monaten bezüglich einer Konvention merkbaren Fortschritt erzielt. Statistiken die sich auf Erhebungen vor dem Jahr 2018 beziehen, ist jedoch mitnichten zu trauen.

Zu unterschiedlich waren die verwendeten Methoden.

Wie erfolgreich Messverfahren in der Zukunft sein werden bleibt abzuwarten. Eine empirische Überprüfung des 40-60-Fang-Oberkopf Längenverhältnisses mag zu Fortschritt führen. Eventuell genügt in manchen Situationen aber auch schon eine reine Einschätzung der Fanglänge. Eine gar nicht so dumme Faustregel lautet: Der Fang eines Rüden sollte nicht kürzer als neun Zentimeter sein, der Fang einer Hündin nicht kürzer als acht Zentimeter. Dabei wird ein normales Geschlechtsgepräge vorausgesetzt. Zum Teil sind wir selbst Schuld an der Misere. Und diesmal sind es nicht die Richter, denen der schwarze Peter zukommt. Durch die Printmedien, durch die sozialen Netzwerke und nicht zuletzt durch das Fernsehen  werden Gefühle und Stimmungen massiv beeinflusst. Dem Besonderen, Extravaganten und Neuartigen wird für in aller Regel gehuldigt; das Gewöhnliche hinten angestellt. Umdesignte Rottweiler mit Extremmerkmalen passen zu derartigen Gepflogenheiten. Selbst für Hundeillustrierte werden die Schnauzen der Rottweiler in den Werbeinseraten noch vermittels Photshop gekürzt und das Gesamtbild noch bulliger gemacht. Ein nettes gestalterisches Drumherum sichert die Werbewirkung.

Was setzen wir als Öffentlichkeitsarbeit dagegen? So gut wie nichts.

Vereinszeitschriften und Facebook Auftritte von Klubs könnten attraktiver sein, ja sie müssten es. Wir sollten wieder und wieder durchschnittliche Rottweiler mit unspektakulären Körper- und Kopfproportionen mit tollen, emotionsträchtigen Hochglanzbildern und packenden Geschichten in Magazinen und Internetmedien präsentieren.

Dann würden sich weniger Personen für Tiere mit Übertreibungen begeistern.

Bei der Bekämpfung der Juvenilen Laryngealen Paralyse und Polyneuropathie (JLPP), einer monogenen, autosomal-rezessiv bedingten Erkrankung, wird in beunruhigend hohem Maße der Fehler gemacht, Träger zu selten zur Zucht zu verwenden, obwohl deren Anpaarung mit homozygot Freien unbedenklich ist. Zum Teil wird das ganz unbiologisch mit besseren Verkaufserlösen bei den Welpen begründet. Der Entwicklung der Population schadet es definitiv. Zuviel an genetischer Diversität geht so verloren und damit automatisch und zwingend auch zuviel an Fitness und Lebenserwartung. Genau dasselbe passierte, wenn all die Rottweiler mit den zu kurzen Fängen schlagartig und radikal aus der Zucht verbannt würden. Das wäre vielleicht gut gemeint, aber es wäre ein übler Rückschritt in punkto Rassegesundheit. Am besten wäre es, dem Problem mit maßvollem Selektionsdruck langsam und langfristig entgegen zu steuern. Die überaus wertvolle genetische Diversität bliebe dergestalt weitestgehend erhalten, persönlichen Präferenzen bliebe in einem vertretbaren Ausmaß Raum und ein Aufwärtstrend erfasste unsere Lieblingsrasse.

Magyarul>>>>>>>>> BEIM ROTTWEILER Szerző Prof. Dr. Friedrich Peter